Das Spannungsfeld zwischen geschützten Rohstoff- und freien Absatzmärkten ist eine Belastung für unsere Branche. Was kann das SECO tun, damit wir auch in Zukunft weiterhin in der Schweiz produzieren können?
Wir sind uns der Herausforderungen bewusst, die die vergleichsweise hohen Rohstoffpreise für die Schoggi-, Back- und Zuckerwarenbrache mit sich bringen. Im SECO setzen wir uns für möglichst gute Rahmenbedingungen für die Nahrungsmittelindustrie ein. Einerseits gleichen wir das Preishandicap importseitig weiterhin durch Zölle aus. Gleichzeitig versuchen wir mit Freihandelsabkommen, einen möglichst freien Marktzugang zu ausländischen Märkten auszuhandeln. Das Paradebeispiel dafür ist das Protokoll Nr. 2 des Freihandelsabkommens mit der EU, unserem mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt. Ausfuhrseitig musste die Schweiz im Jahr 2019 die Ausfuhrbeiträge bekanntlich aufheben. Als Begleitmassnahme erhielten die inländischen Produzenten von Industriemilch und Getreide neue Produktionszulagen und der Zugang zum Veredelungsverkehr mit ausländischen Milch- und Getreidegrundstoffen wurde im Gegenzug vereinfacht. Somit hat die verarbeitende Lebensmittelindustrie einerseits eine solide Verhandlungsposition gegenüber ihren inländischen Rohstofflieferanten und andererseits über den Veredelungsverkehr, wenn nötig, auch Zugang zu ausländischen Rohstoffen. Wir setzen uns dafür ein, dass die delikate Balance zwischen Landwirtschafts- und Industrieinteressen weiterhin gehalten werden kann. Aber wir müssen uns auch bewusst sein: Der Spagat zwischen möglichst offenen Exportmärkten und dem teilweise geschützten Inlandmarkt wird mit der Zeit aber nicht einfacher.
Auch technische Handelshemmnisse machen unseren Unternehmen das Leben schwer. Was unternimmt das SECO dagegen?
Mit dem neuen Lebensmittelgesetz in der Schweiz wurden technische Handelshemmnisse mit der EU im Lebensmittelbereich ab 2017 stark reduziert. Heute arbeitet das SECO u.a. mit CHOCOSUISSE zusammen, um die Auswirkungen der EU-Entwaldungsverordnung auf die exportausgerichteten Schweizer Schokoladehersteller besser zu verstehen. In diesem Bereich tut sich aktuell einiges.
Unsere Branche ist stark exportabhängig. Was tut sich beim Ausbau des Freihandelsnetzes?
Auch hier tut sich einiges: Wir verfügen bereits über ein weit ausgebautes Netz von Handelsabkommen. Dieses bietet unserer Wirtschaft gute Rahmenbedingungen und Vorteile; so auch der Schokoladenbranche. Das ist für die Schweiz als Volkswirtschaft mit einem relativ kleinen Binnenmarkt besonders wichtig. Dennoch gibt es noch einige "weisse Flecken" auf der Weltkarte. Wir arbeiten daher ständig daran, neue Abkommen abzuschliessen und ältere Abkommen zu modernisieren. Momentan sind wir viel beschäftigt. Gerade kürzlich haben wir die Verhandlungen mit Moldova erfolgreich abgeschlossen und an der EFTA Ministerkonferenz im Juni unterzeichnet. Mit Indien laufen die Gespräche wieder mit sehr hoher Intensität und wir möchten diese Verhandlungen endlich zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Auch die Prozesse mit Thailand und Chile kommen gut voran und wenn es so weiter geht, sollten wir diese in nicht allzu ferner Zukunft abschliessen können. Mit dem UK haben wir kürzlich Verhandlungen über ein umfassendes FHA aufgenommen. Zudem sind wir bestrebt, das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten bald finalisieren zu können. In all diesen Abkommen setzen wir uns selbstverständlich auch für einen möglichst hindernisfreien Marktzugang für Schweizer Schokolade ein.
Staatsekretärin Helene Budliger Artieda ist seit dem 1. August 2022 Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO. Vorher war sie in verschiedenen Ländern als Botschafterin der Schweiz tätig. Das Interview führte Thomas Juch.