Eine große rechtliche Unsicherheit stellt laut BDSI insbesondere die Kennzeichnung von Produkten für andere europäische Märkte dar. Während bisher eine einheitliche Verpackung mit der gleichen Kennzeichnung, lediglich in mehreren Sprachen, gängig war, müssen die Hersteller zunehmend wieder unterschiedliche Verpackungen für unterschiedliche Märkte in der EU verwenden. Dies gelte auch für den Nutri-Score, denn verschiedene Länder innerhalb der EU hätten sich klar gegen dieses Kennzeichnungsmodell ausgesprochen und unterstützten stattdessen andere Modelle wie das Keyhole- oder das Nutrinform-Modell. Mit dem Nutri-Score gekennzeichnete Produkte sind möglicherweise in Italien, Griechenland, den skandinavischen und einigen osteuropäischen Ländern mangels dort rechtlicher Vorgaben nicht mehr zulässig. Ein Flickenteppich an unterschiedlichen nationalen Regelungen belastet nach Ansicht des Verbands besonders kleinere und mittlere Unternehmen mit zusätzlichen Kosten und hohem administrativem Aufwand.
Daher begrüßt der BDSI, dass sich die Bundesregierung weiterhin für eine europaweite Einführung einer visualisierten Nährwertkennzeichnung ausgesprochen hat. Die europäische Lösung müsse jedoch insbesondere für die Lizenzierung und die Rahmenbedingungen des Nährwertkennzeichnungsmodells gelten. So müssen Lebensmittelunternehmen, die den Nutri-Score nutzen möchten, einen einseitigen Lizenzvertrag mit der französischen Behörde Santé Publique France abschließen. Dieser sei jedoch für viele Unternehmen aus Deutschland, aber auch aus anderen Ländern der EU (außerhalb von Frankreich) in der bestehenden Form nicht akzeptabel. Die französische Behörde könne Einblick in die Rezepturen und somit in das Herzstück eines jeden Süßwarenunternehmens verlangen. Nirgendwo sonst seien die Unternehmen zu einer Offenlegung dieser wertvollen Geschäftsgeheimnisse verpflichtet.
Die französische Behörde habe zudem das Recht, die Lizenzbedingungen und damit auch den Algorithmus der Score-Berechnung jederzeit einseitig zu ändern. Diese Änderungen müssten von den teilnehmenden Unternehmen zeitnah umgesetzt werden, was für die betroffenen Produkte jedes Mal zu Kosten in Millionenhöhe führen könne. Der BDSI fordert, dass ergebnisoffen unterschiedliche Kennzeichnungsmodelle von der EU-Kommission geprüft werden. Entscheidend sei, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher klare Schlüsse daraus ziehen können, welchen Beitrag das Lebensmittel in Bezug auf den Energie- und Nährstoffgehalt leistet.